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Sucht ist eine komplexe Herausforderung, die nicht nur die betroffene Person betrifft, sondern auch ihr Umfeld, insbesondere Familie und Freunde. Noch vor nicht allzu langer Zeit galt Sucht als Charakterschwäche und damit als Kontrollverlust, einer der Gründe, weshalb diese Diagnose mit gesellschaftlicher Ächtung einhergeht. Noch heute werden die dahinter liegenden Themen nicht ausreichend beachtet.
- Was ist Abhängigkeit?
Abhängigkeit bezieht sich auf einen Zustand, in dem eine Person psychisch oder physisch von einer bestimmten Substanz, einem Verhalten oder einer Aktivität abhängig ist und Schwierigkeiten hat, ohne sie zu funktionieren oder negative Konsequenzen zu vermeiden möchte. Das Abhängigkeitssyndrom ist durch den Zwang zum Konsumieren, einem unbändigen Verlangen gekennzeichnet. Die eigene Kontrolle über die Häufigkeit und Menge des Konsums schwindet, während die Toleranz steigt und immer höhere Dosen benötigt werden, um den anfangs gewünschten Effekt zu erzeugen. Hinzu kommt die körperliche und psychische Abhängigkeit. Der Körper verlangt nach der extern hinzugefügten Dopaminzufuhr. Er bereitet sich so darauf vor, dass wenn die erwartete Dosis nicht eintritt, es zu Entzugserscheinungen kommen kann. Auch wenn den Betroffenen meist bewusst ist, was für schädliche Folgen das gezeigte Verhalten für ihn und sein Umfeld hat, schränkt sich das eigene Leben immer mehr auf den Konsum ein und andere Interessen und Pflichten können vernachlässigt werden.
- Arten von Süchten
Es gibt unterschiedliche Süchte. Unterscheiden lassen sie sich in stoffgebundene und stoffungebundene Süchte. Die stoffgebundenen Süchte sind diese, die durch Substanzen erzeugt werden: Alkohol, Nikotin, Opioide, Kokain etc. Stoffungebundene Süchte sind Verhaltenssüchte, welche gesundheits- oder sozial- schädigende Verhaltensweisen sind, wie Kaufsucht, Arbeitssucht, Internetsucht und Sexsucht. In diesem Blogbeitrag möchte ich mich auf die Alkoholsucht konzentrieren, da Alkohol in unserer Gesellschaft und Kultur tief integriert ist und somit leicht verfügbar ist. Eine Schätzung der Deutschen Hauptstelle für Suchtanfragen (DHS) hat ergeben, dass 2021 ca. 1,77 Millionen Menschen alkoholabhängig waren und 9,5 Millionen Menschen eine riskante Menge an Alkohol trinken. Auch wenn sich der Artikel auf Alkohol bezieht, können Parallelen zu anderen Süchten gezogen werden.
- Einflussfaktoren
Die Entstehung von Sucht wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Auf der individuellen Ebene spielen genetische Veranlagung, Persönlichkeitsmerkmale wie Impulsivität oder Sensation Seeking, das Vorhandensein von Traumata und psychischen Störungen eine entscheidende Rolle. Hat die Person wenige Möglichkeiten sich selbst zu regulieren, ist eine Abhängigkeit wahrscheinlicher. Zudem können Umweltfaktoren wie die Familienstruktur, das soziale Umfeld und die Einstellung zum Konsumverhalten das Risiko für Alkoholabhängigkeit beeinflussen. Auf den Status, den Alkohol in unserer Kultur trägt, werde ich in dem Abschnitt „eigene Perspektive auf Alkohol“ erläutern. Die Verfügbarkeit von Alkohol sowie soziale Normen und Erwartungen bezüglich des Konsums spielen ebenfalls eine Rolle. Darüber hinaus tragen die spezifischen Merkmale der Substanz selbst, wie ihre Wirkung auf das Belohnungssystem des Gehirns und ihr Abhängigkeitspotenzial, zur Entstehung und Aufrechterhaltung einer Abhängigkeit bei.

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4. Suchtentstehung
Um Suchtentstehung nachvollziehen zu können, ist es wichtig die Wirkung von Alkohol im Gehirn zu verstehen. Alkohol wirkt als zentralnervöses Depressivum, welches das Nervensystem verlangsamt und verschiedene Bereiche des Gehirns beeinflusst. Einer der Hauptmechanismen, durch den Alkohol eine suchtähnliche Wirkung entfaltet, ist die Freisetzung von Dopamin im Belohnungszentrum des Gehirns. Dopamin ist ein Neurotransmitter, der mit Gefühlen von Belohnung und Wohlbefinden verbunden ist.
Durch den Konsum von Alkohol wird eine erhöhte Dopaminfreisetzung ausgelöst, was ein angenehmes und euphorisches Gefühl erzeugt. Dies verstärkt das Verlangen nach weiterem Alkoholkonsum, da das Gehirn dieses positive Erlebnis wiederholen möchte. Im Laufe der Zeit kann sich der Körper an die regelmäßige Zufuhr von Alkohol gewöhnen, was zu einer Toleranzentwicklung führt, bei der größere Mengen benötigt werden, um die gleiche Wirkung zu erzielen.
Gleichzeitig kann sich die Belohnungsreaktion des Gehirns verändern, sodass der Konsum von Alkohol zu einem primären Verhalten wird, um negative Gefühle zu lindern oder um sich besser zu fühlen. Oftmals wird Alkohol auch zu Beginn als Sedierungsmittel benutzt, um mit negativ wahrgenommenen Gefühlen und Situationen umzugehen. Es wird zu einem sogenannten „dysfunktionalen Copingmechanismus“. Alkohol wird als Umgang mit unangenehmen Erfahrungen und Gefühlen genutzt, um diese nicht wahrzunehmen, sondern mit dem Alkohol „herunterzuspülen“. So muss sich vorerst nicht mit den Gegebenheiten beschäftigt werden. Dies kann zu einem Teufelskreis führen, indem der Konsum von Alkohol immer mehr in den Vordergrund tritt und andere Lebensbereiche vernachlässigt werden. Alkohol verändert das Gehirn und führt oft zu einer Wesensänderung der betroffenen Person. Letztendlich kann dies zu einer Abhängigkeit führen, bei der der Betroffene Schwierigkeiten hat, seinen Alkoholkonsum zu kontrollieren, und Entzugserscheinungen auftreten können, wenn der Konsum reduziert oder eingestellt wird.
Nun steht nicht mehr die auslösenden Faktoren problematisch dar, sondern der Alkoholkonsum hat sich verselbstständigt. Die Sucht ist mit ihren Folgen zu einem zentralen Lebensthema geworden, was sowohl den Betroffenen oder die Betroffene schädigt als auch das Umfeld.

5. Angehörige
Alkoholabhängigkeit betrifft nicht nur den Betroffenen selbst, sondern kann auch die Angehörigen stark beeinflussen und belasten.
Für den Betroffenen selbst können sie sich in physischen, psychischen und sozialen Problemen äußern. Dazu gehören Gesundheitsprobleme wie Leberschäden, Herzerkrankungen, Gedächtnisstörungen und psychische Probleme wie Depressionen und Angstzustände. Alkoholabhängigkeit kann auch zu finanziellen Schwierigkeiten, Problemen am Arbeitsplatz und sozialer Isolation führen.
Für Angehörige kann die Alkoholabhängigkeit eines geliebten Menschen eine immense Belastung darstellen. Sie können sich gestresst, überfordert, frustriert und hilflos fühlen. Sie müssen möglicherweise die Verantwortung für den Betroffenen übernehmen, finanzielle Probleme bewältigen oder mit negativen Auswirkungen auf das Familienleben umgehen. Dieses Phänomen nennt man Co-Abhängigkeit. Es bezieht sich auf das Verhalten von Personen, die eng mit einem alkoholabhängigen oder drogenabhängigen Menschen verbunden sind. Dabei handelt es sich um ein Muster von Verhaltensweisen und Einstellungen, die dazu beitragen, das problematische Verhalten des Abhängigen aufrechtzuerhalten oder zu ermöglichen. Co-abhängige Personen neigen dazu, sich stark auf die Bedürfnisse und Probleme des Abhängigen zu konzentrieren, oft auf Kosten ihrer eigenen Bedürfnisse und des eigenen Wohlbefindens. Sie können sich übermäßig um den Abhängigen kümmern, ihm gegenüber nachgiebig sein, sein Verhalten rechtfertigen oder decken und sich selbst vernachlässigen. Das führt oft dazu, dass sie sich in einem Teufelskreis aus Sorge, Schuldgefühlen und emotionaler Erschöpfung gefangen fühlen. Co-abhängige Verhaltensweisen können die Abhängigkeit des Betroffenen verschlimmern und es ihm erschweren, Hilfe zu suchen oder sich behandeln zu lassen.
Es ist wichtig, dass sowohl der Betroffene als auch die Angehörigen Unterstützung erhalten, sei es durch professionelle Hilfe, Selbsthilfegruppen oder andere unterstützende Netzwerke.
6. Eigene Perspektive auf Alkohol
Wenn beim Sektempfang, auf dem Geburtstag oder bei einem geselligen Abend, der Alkohol dankend abgelehnt wird, bekommt man schiefe Blicke. Zumindest wird in neuen sozialen Kreisen oft um eine Erklärung gebeten: Eine Rechtfertigung, weshalb kein Nervengift konsumiert werden möchte. Diese kulturelle Akzeptanz von Alkohol und die Verfügbarkeit tragen erheblich zum Risiko der Alkoholabhängigkeit bei. In vielen Gesellschaften wird Alkoholkonsum als normales und sozial akzeptiertes Verhalten betrachtet, und die Einstellungen im sozialen Umfeld sind oft positiv, da Alkohol als Teil der kulturellen Tradition angesehen wird. Diese Wahrnehmung wurde jedoch maßgeblich durch die Marketingstrategien der Alkoholindustrie geprägt, welche Alkohol als Lifestyle-Produkt verherrlicht und den Konsum fördert.
Trotz seiner weit verbreiteten Akzeptanz birgt Alkoholkonsum erhebliche gesundheitliche und soziale Risiken. Studien zeigen eine klare Verbindung zwischen Alkoholkonsum und verschiedenen gesundheitlichen Problemen wie Lebererkrankungen, Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychischen Störungen. Darüber hinaus ist Alkohol eine der Hauptursachen für Gewalttaten, Unfälle und Suizide. Forschungen haben gezeigt, dass Alkoholkonsum das Risiko für häusliche Gewalt und sexuelle Übergriffe erhöht und bei jungen Menschen das Risiko für Selbstmordgedanken und Selbstmordversuche erhöht.
Es ist wichtig, die gesellschaftliche Akzeptanz von Alkoholkonsum kritisch zu hinterfragen und aufzuklären, um die damit verbundenen Risiken zu verringern. Statt den Konsum als unvermeidlichen Bestandteil des sozialen Lebens zu betrachten, sollten wir einen offenen Dialog über die gesundheitlichen Auswirkungen von Alkohol führen und alternative Formen der sozialen Interaktion fördern, die nicht auf Alkohol basieren. Nur durch eine bewusste Auseinandersetzung mit den Risiken des Alkoholkonsums können wir dazu beitragen, das Wohlbefinden und die Sicherheit unserer Gesellschaft zu verbessern. Es ist die eigene Entscheidung Alkohol zu trinken, doch sollte schon möglichst früh Aufklärung über das Thema stattfinden.
Mit diesem Blogartikel sollten erste Einblicke in die Suchtthematik gewonnen werden. Vielleicht hat es auch den ein oder anderen zum Nachdenken angeregt, was für Auswirkungen das legale Nervengift haben kann. Wer noch weitere Informationen braucht, kann sich gerne die Seite der DHS anschauen und sich weiter mit Mythen und Fakten über Alkohol auseinandersetzen https://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/Fa%CC%88cher-Alkohol_2024-02-15.pdf.
